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Gesundheit im Alter

Während die ersten Jahre im Ruhestand überwiegend in guter Gesundheit verlebt werden, steigt die Prävalenz von Krankheiten und funktionellen Einschränkungen im höheren Alter deutlich an (RKI 2009). Obwohl Alter nicht ausschließlich eine Phase gesundheitlichen Abbaus ist, treten bestimmte Erkrankungen, Multimorbidität und Pflegebedürftigkeit in späteren Lebensjahren häufiger auf.

Gesundheit im höheren Lebensalter wird durch die Lebenslage und den Lebensstil beeinflusst. Die Lebenslage wird insbesondere durch die soziale Schichtzugehörigkeit bestimmt (Bildung, Einkommen, Vermögen, Merkmale der aktuellen beziehungsweise früheren Berufstätigkeit), wohingegen der Lebensstil durch die persönliche Lebensführung und alltägliche Entscheidungen (sportliche Aktivität, Konsum von Genussmitteln) gekennzeichnet ist (RKI 2009).

Gesunde Lebensstile, die Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und Autonomie, aber auch Chancengleichheit haben einen positiven Einfluss auf die Gesundheit im Alter. Riskante Lebensstile, Isolation, soziale Ungleichheit oder wenig Möglichkeiten zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben haben andererseits negative Einflüsse auf die Gesundheit.

Ressourcen und Belastungen

Was erhält den Menschen gesund? Nach Aaron Antonovsky (1923-1994) bewegen sich Gesundheit und Krankheit auf einem Kontinuum und sind keine sich wechselseitig ausschließenden Zustände. An welcher Stelle man sich auf diesem Kontinuum bewegt, hängt unter anderem von den eigenen Ressourcen ab. Personale Ressourcen und soziale Ressourcen stärken die Widerstandskraft.

Personale Ressourcen sind zum Beispiel Optimismus, dass sich die Dinge positiv entwickeln, und Selbstwirksamkeitserwartung, als Überzeugung, dass man über die notwendigen Kompetenzen verfügt. Soziale Ressourcen sind beispielsweise soziale Unterstützung und die Einbindung in soziale Netzwerke.

Alleine die Autonomie, alltägliche Dinge selbst erledigen zu können, zwischenmenschliche Kontakte zu pflegen, einen Gestaltungsspielraum zu haben, auch bei gegebenenfalls eingeschränkter Mobilität, hat positive Auswirkungen auf die Gesundheit im Alter.

Die Voraussetzung für Autonomie ist dabei unter anderem eine an den Bedürfnissen von älteren Menschen orientierte Infrastruktur (Verhältnisebene - Lebenswelten) (Einkaufsmöglichkeiten, Barrierefreiheit in der Wohnung und im öffentlichen Nahverkehr, Sicherheit im öffentlichen Raum) (BZgA 2012, BZgA 2001). Doch auch positive Erfahrungen durch eine gelungene Bewältigung belastender Phasen über den Lebenslauf hinweg (zum Beispiel Erkrankungen, Scheidung) stärken das Selbstvertrauen und führen zu einer Stärkung der Widerstandsressourcen (Kohärenzgefühl). Diese positive innere Grundhaltung wird durch Merkmale wie Sinnhaftigkeit, Verständnis und Handhabbarkeit bestimmt. Das Kohärenzgefühl unterstützt dabei die Bewältigung selbst schwerer Belastungen und schützt das Individuum vor gesundheitsschädlichen Auswirkungen (BZgA 2001).

Neben Ressourcen, die die Gesundheit positiv beeinflussen, existieren jedoch auch Belastungen, die sich über den gesamten Lebensverlauf anhäufen (zum Beispiel durch körperlich stark beanspruchende Arbeitsbedingungen, chronische Krankheiten).

Charakteristisch ist, dass mit höherem Alter mehr Gesundheitsprobleme und mehrere alterstypische Krankheiten gleichzeitig auftreten (Multimorbidität). Sie sind häufiger chronisch und von Schmerzen begleitet.

Für eine hohe Lebensqualität und das eigene Gesundheitsempfinden ist die Funktionsfähigkeit in den Bereichen Sehen, Hören, körperliche Belastbarkeit, Beweglichkeit und Mobilität zentral. Sie bestimmt entscheidend, ob Autonomie erhalten bleibt und damit auch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich ist. Bei Einschränkungen des Bewegungsapparates ist nicht nur die körperliche Beweglichkeit verringert, erfahrungsgemäß sind dadurch auch soziale Aktivitäten (Theaterbesuche, Aufsuchen von sozialen Treffpunkten) eingeschränkt. Mobilitätseinschränkungen wirken sich folglich immer – wenn auch nur partiell – auf die gesellschaftliche Teilhabe älterer Menschen aus (BZgA 2012, RKI 2009).

  • Symbol für "Ausrufezeichen"
    Gesundheitliche Ressourcen und Gesundheitschancen sind darüber hinaus in der Bevölkerung sozial bedingt ungleich verteilt. Gesundheitsbezogene Interventionen müssen daher auch bei älteren Menschen soziallangenorientierte Sichtweisen berücksichtigen.

Erkrankungen

Mit einem höheren Lebensalter gehen vermehrt Erkrankungen einher, die zumeist chronisch verlaufen. Ungefähr 20 % der über 65-Jährigen in Deutschland leiden unter chronischen Krankheiten oder Behinderungen (Kuhlmey 2008).

Chronischen Krankheiten, wie beispielsweise kardiovaskuläre Erkrankungen, Krebs oder Diabetes mellitus Typ 2, kann zwar in gewissem Maß über den Lebensstil vorgebeugt werden; treten sie jedoch auf, sind sie oft unheilbar. Auf längere Sicht gesehen konzentrieren sich die Behandlungen deshalb stärker auf den Umgang mit der jeweiligen Krankheit und der Verhinderung von Folgeproblemen, wie funktionalen Einschränkungen. Die Zunahme chronischer Erkrankungen im Alter ist sowohl auf die Summierung von Risiken über den Lebensverlauf als auch auf altersphysiologische Veränderungen zurückzuführen (RKI 2009).

Somatische Erkrankungen
Zu den typischen somatischen Erkrankungen des Alters zählen beispielsweise Arteriosklerose (unter anderem Herz-Kreislauferkrankungen, Schlaganfall), bösartige Neubildungen (Krebs) und Muskel-Skelett-Erkrankungen (Statistisches Bundesamt 2012).

Psychische Erkrankungen
Neben somatischen Erkrankungen treten auch psychische Erkrankungen im Alter auf. Mögliche Ursachen hierfür sind:

  • Tod der Partnerin oder des Partners,
  • Berentung, 
  • Verlust sozialer Beziehungen, 
  • Finanznot und 
  • eigene Erkrankungen (Riepe 2008).

Obwohl psychische Erkrankungen aktuell einen hohen Stellenwert im Morbiditätsgeschehen von Älteren erhalten, belegen wissenschaftliche Studien zur psychischen Gesundheit, dass der überwiegende Teil der älteren Bevölkerung trotz gesundheitlicher Einschränkungen und Verlusterlebnissen keine psychischen Auffälligkeiten vorweist (RKI 2009).

Multimorbidität
Chronische Krankheiten treten mit zunehmendem Alter nur noch selten vereinzelt auf. Die gesundheitliche Lage eines erheblichen Teils der Bevölkerung im höheren Alter ist vielmehr von Multimorbidität bestimmt. Multimorbid erkrankte Personen benötigen oftmals nicht nur ein besonderes Maß an ambulanter (und teilweise stationärer) Versorgung. Ist eine Person von mehreren Erkrankungen betroffen, besteht auch die Gefahr einer zusätzlichen psychischen Komorbidität sowie der Einschränkung körperlicher Funktionsfähigkeit und Selbstständigkeit (RKI 2009).

  • Symbol für "Ausrufezeichen"
    Schätzungen zufolge leidet nur ein Viertel der Menschen in der Altersgruppe 65 unter psychischen Beeinträchtigungen. Für diesen Jahrgang sind vor allem Depressionen und Demenz (unter anderem Alzheimer) besonders relevant (RKI 2009).
  • Bei Männern lagen auf den ersten fünf Plätzen Ischämische Herzkrankheiten, Herzinsuffizienz, Zerebrovaskuläre Krankheiten, Kardiale Arrhythmien (Herzrhythmusstörungen) und Krankheiten der Arterien/Arteriolen/Kapillaren (Statistisches Bundesamt 2012).
  • Symbol für "Information"
    Die häufigsten somatischen Krankenhausdiagnosen ab 65 Jahren und älter im Jahr 2009 (Nowossadeck, Nowossadeck 2011) waren bei Frauen Arthrose, Herzinsuffizienz, Ischämische Herzkrankheiten, Zerebrovaskuläre Krankheiten und sonstige Krankheiten des Darmes.

Pflegebedürftigkeit

Der Erhalt eines selbstbestimmten und als zufriedenstellend empfundenen Lebens in gewohnter Umgebung ist Wunsch vieler älterer Frauen und Männer. Professionelle Hilfen zur Bewältigung des Alltags setzen in der Regel erst dann ein, wenn alle Möglichkeiten der Selbstversorgung ausgeschöpft sind (MAGS 2007).

Definition und Zahlen
Welche Einschränkungen mit chronischen Krankheiten und Pflegebedürftigkeit verbunden sind, lässt sich in einer Stufenfolge skizzieren. Sie beginnt mit der Anpassung alltäglicher Aktivitäten an eine reduzierte Leistungsfähigkeit: langsameres Gehen, verlängerte Ruhezeiten im Tagesverlauf. Ein höherer Grad der Einschränkungen ist gegeben, wenn notwendige Verrichtungen des alltäglichen Lebens, insbesondere der Haushaltsführung (Einkaufen, Zubereitung von Mahlzeiten, Putzen), nicht mehr allein bewältigt werden können. Eine Steigerung dieses Verlustes an Selbstständigkeit ist schließlich in den verschiedenen Stufen der Pflegebedürftigkeit (0 bis 3) gegeben.

83 % aller Pflegebedürftigen sind 65 Jahre alt oder älter. Ende 2013 waren von den 2,6 Millionen Pflegebedürftigen nach SGB XI in Deutschland mit 1,46 Millionen über die Hälfte in Pflegestufe I eingruppiert (Statistisches Bundesamt 2015c). Für das Jahr 2030 werden 3,28 Millionen Pflegebedürftige erwartet, für das Jahr 2050 ein Anstieg auf 4,35 Millionen (Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen 2009). In Nordrhein-Westfalen waren Ende 2013 ca. 581.000 ältere Menschen pflegebedürftig im Sinne des SGB XI, gegenüber 2011 ist ein Anstieg von 6,1 % zu verzeichnen. Im Jahr 2020 wird die Anzahl von pflegebedürftigen Personen auf 614.000 (60- bis unter 80-jährige: 168.000; über 80-jährige: 391.000) ansteigen. 2030 würden Prognosen zur Folge schon 710.000 Frauen und Männer in NRW pflegebedürft sein (60- bis unter 80-Jährige: 201.000; über 80-Jährige 457.000) (MGEPA NRW 2015). Pflegebedarf zu vermeiden oder zumindest hinauszuzögern ist ein Ziel von Gesundheitsförderung und Prävention im Alter (BZgA 2012). Gerade angesichts der bislang begrenzten medizinischen Behandlungsmöglichkeiten, zum Beispiel bei Demenz, sollte ein besonderes Augenmerk auf gesundheitsförderliche und präventive Maßnahmen gelegt werden (MAGS 2007).

Versorgung pflegebedürftiger Frauen und Männer
Die Mehrzahl der pflegebedürftigen alten Menschen wird in der eigenen Wohnung durch Angehörige, Nachbarn, Freunde und Bekannte sowie durch ambulante Dienste versorgt. In Nordrhein-Westfalen wurden 2013 ungefähr 72,4 % der Pflegebedürftigen zu Hause gepflegt (2001: 66,2 %) (IT.NRW 2015b).

Von diesen Pflegebedürftigen wurden 2013 gut zwei Drittel (68,8 %) allein durch Angehörige versorgt und knapp ein Drittel (31,2 %) mit (zusätzlicher) Unterstützung von ambulanten Pflegediensten. Der Anteil der Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen lag bei 27,6 % und damit auf einem deutlich geringeren Niveau als 2001 (33,8 %) (IT.NRW 2015b). Frauen wurden häufiger (34 %) im Pflegeheim betreut als Männer (22 %) (Streich 2012).