Fachgruppe Klima und Gesundheit
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Grundsätzlich sollten alle Personen ihr Verhalten rechtzeitig an hohe Temperaturen anpassen, um Gesundheitsschäden vorzubeugen. Folgende Bevölkerungsgruppen gelten jedoch als besonders gefährdet:
Ältere Menschen haben aufgrund mehrerer Faktoren ein höheres Risiko, an den Folgen von Hitze zu erkranken. Mit steigendem Alter sinkt die Anpassungsfähigkeit des Körpers und das Durstgefühl verringert oder verschlechtert sich. Zudem schwitzen ältere Personen weniger und später. Außerdem beeinflussen bestimmte Arzneimittel unter anderem die Mechanismen der Thermoregulation des Körpers oder vermindern das Schwitzen und verschlechtern so die Anpassungsfähigkeit an Hitze. Da die Einnahme von Arzneimitteln mit steigendem Alter tendenziell zunimmt, stellt dies ein relevantes Risiko dar (WHO 2021).
Vorerkrankungen oder auch chronische Erkrankungen gelten als Risikofaktor für Hitzebelastungen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen können beispielsweise die Thermoregulation aufgrund verminderter Blutzufuhr zur Haut einschränken. Durchfall oder fiebrige Erkrankungen sowie Nieren- und Stoffwechselkrankheiten beeinflussen die Thermoregulation aufgrund eines beeinträchtigten Flüssigkeitshaushalts. Weitere Risikofaktoren sind Krankheiten, welche die Anzahl oder Funktion von Schweißdrüsen beeinflussen, wie etwa Diabetes, Sklerodermie und Mukoviszidose. Zusätzlich gelten Bettlägerigkeit oder jegliche Krankheiten, welche die Selbstversorgung einschränken, als Gefahr, da angemessene Verhaltensreaktionen schwieriger werden. Adipositas stellt ebenfalls ein Risiko für die Funktion der Thermoregulation dar (WHO 2021; WHO 2008).
Arzneimittel können die Schweißproduktion sowie das Durstempfinden beeinflussen, die Durchblutung der Haut beeinträchtigen, den Elektrolythaushalt verändern und den Stoffwechsel bzw. das Herz-Kreislaufsystem stören. Dadurch kann die Thermoregulation und Anpassungsfähigkeit des Körpers (WHO 2008; LZG.NRW 2024) vermindert werden. Im Zusammenhang mit der Arzneimitteleinnahme sind physiologische Unterschiede zwischen Frauen und Männern und entsprechende Unterschiede in Therapieeffekt und Verträglichkeit der Therapie zu beachten. So werden beispielsweise Psychopharmaka, welche die Schweißproduktion vermindern, vermehrt an Frauen verordnet (Barmer GEK 2012), und Betablocker, welche die Herzleistung verringern, wirken bei Frauen stärker (auch hinsichtlich der Nebenwirkungen) als bei Männern (Glaeske 2021).
Die physiologischen Anpassungen des Körpers während der Schwangerschaft beeinflussen auch die Mechanismen der Thermoregulation. Die Körpermasse, die Fettablagerung, die Wärmeproduktion sowie das Verhältnis von Körperoberfläche zu Masse verändern sich. Es wird angenommen, dass der Körper die Kerntemperatur und den Schwellenwert für das Schwitzen senkt, um diese Veränderungen zu kompensieren. Zudem können durch extreme Hitzeexposition Komplikationen für das ungeborene Kind auftreten, z. B. ein geringes Geburtsgewicht oder auch Früh- und Totgeburten (Samuels et al. 2022; Syed et al. 2022). Nach der Geburt kann bei unzureichender Flüssigkeitszufuhr ein erhöhtes Risiko für die stillende Person bestehen, da Stillen dehydrierend wirkt (Singh et al. 2019).
Säuglinge und Kinder sind unter anderem aufgrund ihrer körperlichen Eigenschaften besonders hitzeempfindlich. Zum Beispiel haben Kinder einen anderen Stoffwechsel als Erwachsene (WHO 2008). Zudem sind Kinder häufig insgesamt aktiver, was für den Körper eine zusätzliche Belastung darstellen kann. Kinder sind aber auch aufgrund ihrer geringeren Fähigkeit zur Verhaltensanpassung gefährdet. Sie sind auf Versorgung und Fürsorge durch andere angewiesen und passen ihr Verhalten in der Regel nicht selbst an. Zudem können sie gesundheitliche Beeinträchtigungen zumeist nicht hinreichend zum Ausdruck bringen (Ministry of Health Canada 2011).
Menschen, die über wenig sozioökonomische Ressourcen verfügen, können übermäßig von Hitze betroffen sein. Aufgrund oftmals beengter Wohnverhältnisse ist beispielsweise ein Ausweichen auf kühlere Räume seltener möglich. Fehlende (finanzielle) Mittel oder auch eine geringe Gesundheitskompetenz können eine angemessene Anpassung von Räumlichkeiten sowie die Umsetzung von Schutzmaßnahmen erschweren. Hierbei können außerdem Geschlechterunterschiede in den Bereichen Beschäftigung und Einkommen eine Rolle spielen. Beispielsweise kann der zeitliche Anteil, der zuhause mit wärmebelasteten Tätigkeiten, wie zum Beispiel Kochen, verbracht wird, einen Einfluss auf die Betroffenheit nehmen (WHO 2021; Bundesagentur für Arbeit 2024).
Manche Menschen leben aus unterschiedlichen Gründen sozial isoliert und haben keine oder nur wenige Außenkontakte. Diese Personen haben oftmals keine Unterstützung, um Maßnahmen zum Hitzeschutz zu ergreifen. Zudem sind sie seltener in Aktivitäten außerhalb der eigenen Wohnung eingebunden und bleiben dadurch eher in der aufgeheizten Wohnung (WHO 2008; Kafeety et al. 2020).
Menschen ohne Wohnung oder Obdach sind unter anderem aufgrund vermehrter schwerwiegender Gesundheitsprobleme und des Lebens im öffentlichen Raum besonders durch Hitze gefährdet. Weitere Faktoren, wie fehlende Rückzugsorte, geringe Anpassungsmöglichkeiten sowie eingeschränkter Zugang zu Trinkwasser und medizinischer Versorgung, verstärken das Risiko. Auch die häufig fehlende Krankenversicherung, chronische Erkrankungen, eingeschränkte Mobilität, Alkohol- und/oder Drogenkonsum sowie Schamgefühl können sich negativ auf den Umgang mit Hitze auswirken (BMG 2024).
Alkohol und Drogen belasten das Herz-Kreislauf-System während Hitze zusätzlich. Da sich der Flüssigkeitshaushalt des Körpers bei Hitze verändert, wirken kleinere Mengen von Alkohol oder Drogen stärker. Zudem entzieht Alkohol dem Körper zusätzlich Wasser, wodurch das Risiko einer Dehydratation verstärkt wird. Darüber hinaus kann die Risikowahrnehmung und Verhaltensanpassung durch den Konsum von Alkohol oder Drogen stark eingeschränkt sein (NIOSH 2016).
Menschen, die im Freien und/oder körperlich arbeiten oder intensiv Sport treiben, sind bei Hitze besonders gefährdet. Neben der Exposition gegenüber Hitze (Dauer, Häufigkeit und Intensität) spielt die körperliche Anstrengung eine Rolle. Arbeitsschutzkleidung oder Abwärme von Maschinen können zur Hitzebelastung beitragen. Zudem ist insbesondere auch der Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen zu beachten (WHO 2021; Leyk et al. 2019).
Übergewicht oder Untergewicht sowie ein schlechter Fitness-Zustand können Risiken während Hitzewellen darstellen. Fehlernährung, beispielsweise durch zu geringe Aufnahme von Essen, Ungleichgewicht von Grundnährstoffen oder Schwierigkeiten bei der Aufnahme von Nährstoffen, schränkt die Funktionsfähigkeit der Thermoregulation ein. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass ältere und pflegebedürftige Menschen aufgrund verschiedener altersphysiologischer Veränderungen, wie z. B. Schluckstörungen, ein erhöhtes Risiko für Fehlernährung besitzen (Lisman et al. 2014; Aliabadi et al. 2022; MDS 2014).
Aliabadi, M., Motlagh, M. S., Golmohammadi, R., Heidarimoghadam, R. u. M. Farhadian (2022): Analysis of body heat tolerance of workers in a simulated warm environment based on linear mixed model. In: PLoS ONE 17, H. 12. e0279170. doi: 10.1371/journal.pone.0279170.
Barmer GEK (2012): Barmer GEK Arzneimittelreport 2012. Asgard Verlagsservice, Siegburg.
Bundesagentur für Arbeit (2024): Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern 2022. Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt. Nürnberg.
Bundesministerium für Gesundheit (BMG) (2024): Kommunikationsleitfaden. Wohnungslose Menschen vor Hitze schützen. Berlin.
Glaeske, G. (2021): Auf Kosten der Patienten? Kritische Kommentare zur Pharmaindustrie. Mabuse Verlag. Frankfurt am Main.
Kafeety, A., Henderson, S. B., Lubik, a., Kancir, J., Kosatsky, T., Schwandt, M. (2020): Social connection as a public health adaptation to extreme heat events. In; Can J Public Health. 2020. Dec;111(6):876-879. doi: 10.17269/s41997-020-00309-2.
Leyk D., Hoitz J., Becker C., Glitz K. J., Nestler K., Piekarski C. (2019): Health Risks and Interventions in Exertional Heat Stress. Deutsches Ärzteblatt International, Jg. 116, H. 31-32. S. 537–544. doi: 10.3238/arztebl.2019.0537.
Lisman, P., Kazman, J. B., O’Connor, F., Heled, Y. u. P. A. Deuster (2014): Heat Tolerance Testing: Association Between Heat Intolerance and Anthropometric and Fitness Measurements. In: Military Medicine 179, H. 11. S. 1339-1346. doi: 10.7205/MILMED-D-14-00169.
LZG.NRW (2024): Einrichtungsbezogener Hitzeschutz in NRW. Arbeitshilfen für Krankenhäuser. Bochum. Auflage 1.1.
Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) (2014): Grundsatzstellungnahme - Essen und Trinken im Alter - Ernährung und Flüssigkeitsversorgung älterer Menschen. Essen.
Ministry of Health Canada (2011): Extreme Heat Events Guidelines. Technical Guide for Health Care Workers. Ottawa.
National Institute for Occupational Safety and Health (NIOSH) (2016): Criteria for a recommended standard: Occupational exposure to heat and hot environments. Cincinnati, OH. United States. Department of Health and Human Services (DHHS) Publication 2016-106.
Samuels, L., Nakstad, B., Roos, N., Bonell, A., Chersich, M., Havenith, G., Luchters, S., Day, L., Hirst, J. E., Singh, T., Elliott-Sale, K., Hetem, R., Part, C., Sawry, S., Le Roux, J., Kovats, S. (2022): Physiological mechanisms of the impact of heat during pregnancy and the clinical implications: review of the evidence from an expert group meeting. In: International Journal of Biometeorology 66. S. 1505-1513. doi: 10.1007/s00484-022-02301-6.
Syed, S., O’Sullivan, T. L., Phillips, K. P. (2022): Extreme Heat and Pregnancy Outcomes: A Scoping Review of the Epidemiological Evidence. In: International Journal of Environmental Research and Public Health 19, 2412. doi: 10.3390/ijerph19042412.
Singh, R., Arrighi, J., Jjemba, E., Strachan, K., Spires, M., Kadihasanoglu, A. (2019): Heatwave Guide for Cities. Red Cross Red Crescent Climate Centre.
World Health Organization Regional Office for Europe (WHO) (2008): Heat-health action plans: guidance. Copenhagen.
World Health Organization Regional Office for Europe (WHO) (2021): Heat and health in the WHO European Region: updated evidence for effective prevention. World Health Organization. Regional Office for Europe. Copenhagen.