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Kommunaler Gesundheitsförderungsprozess

Das Thema Gesundheit gewinnt als kommunalpolitisches Handlungsfeld in den Kreisen, Städten und Gemeinden im Zuge der gesellschaftlichen und gesundheitlichen Herausforderungen wie Klimawandel, Inklusion, soziale Chancenungleichheit, pandemische Ereignisse, Zunahme psychischer Belastungen und chronischer Erkrankungen immer mehr an Bedeutung. Gerade der Nutzen von Gesundheitsförderung und Prävention wird nicht nur aufgrund der ökonomischen Auswirkungen dieser Entwicklungen immer wichtiger, sondern auch mit Blick auf die Lebensqualität und Gesundheit der Bevölkerung. Damit ist Gesundheit nicht nur Thema des Gesundheitssektors, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sich durch alle politischen, ökologischen, ökonomischen und sozialen Aufgabengebiete einer Gesellschaft zieht und die in allen Bereichen des öffentlichen Handelns gefördert werden soll (Health in All Policies). Das erfordert eine Zusammenarbeit des Gesundheitsbereichs mit anderen politischen Ressorts wie Bildung, Soziales, Jugend und Sport. Diese Integration von verschiedenen Politik- und Handlungsfeldern kann Kompetenzen, Handlungs- und Finanzierungsmöglichkeiten und Zielgruppenzugänge zusammenführen und Nachhaltigkeit fördern.

Die Ziele kommunaler Gesundheitsförderung sind vor diesem Hintergrund durchaus komplex. Ein prioritäres Ziel kommunaler Gesundheitsförderung besteht darin, den Gesundheitszustand der Bevölkerung zu verbessern und dabei gesundheitliche Chancengleichheit für alle Bevölkerungsgruppen anzustreben und hierbei insbesondere sozial benachteiligte Zielgruppen in den Blick zu nehmen. Hierbei steht die Entwicklung von lebensweltübergreifenden Strategien und ressortübergreifenden Strukturen im Mittelpunkt, um gesundheitsfördernde Maßnahmen nachhaltig verankern zu können.

Im Zuge der Verabschiedung des Präventionsgesetzes wurden nicht nur die Ausgaben für Gesundheitsförderung und Prävention erhöht, sondern auch der Lebenswelt-Ansatz und damit die Rolle der Kommunen als gesundheitsprägende Lebenswelt betont. Die Kommune vereint als Dachsetting verschiedene Lebenswelten wie Kindertagesstätten, Schulen und Quartiere und hat den gesetzlichen Auftrag zur kommunalen Daseinsvorsorge. Daher hat sie mit Blick auf Gesundheitsförderung und Prävention eine impulsgebende und koordinierende Verantwortung.

Handlungsrahmen kommunale Gesundheitsförderung

Das LZG.NRW unterstützt Akteurinnen und Akteure beim Aufbau und der Umsetzung (kommunaler) Gesundheitsförderungsprozesse unter Berücksichtigung der spezifischen kommunalen Ausganglagen und Rahmenbedingungen. Wir orientieren uns dabei an den Phasen des Public Health Action Cycle und den Kriterien für gute Praxis der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung wie Partizipation, Setting-Ansatz und Integriertes Handeln. Die erfolgreiche Umsetzung einer kommunalen Strategie zur Gesundheitsförderung ist abhängig von der nachhaltigen Etablierung einer zentralen Koordinationsstelle durch die Kommune (Quilling et al. 2021). Diese Koordination umfasst viele Aufgaben entlang des Entwicklungs- und Umsetzungsprozesses (siehe Abbildung 1). Die Koordination ist verantwortlich, dass zentrale Arbeitsprinzipien im Prozess eingehalten werden. Dies sind unter anderem Wirkungsorientierung, Partizipation, Projekt- und Netzwerkmanagement und transparente Kommunikation und Information.

Die Grafik zeigt einen Kreislauf, der die einzelnen Aufgabenschritte bei der Koordination kommunaler Gesundheitsförderung abbildet.
Abbildung 1: Aufgaben bei der Koordination kommunaler Gesundheitsförderung (LZG.NRW 2022)

Zu Beginn des Prozesses geht es zunächst darum, geeignete Arbeitsstrukturen wie das Steuerungsgremium aufzubauen und dafür entsprechende Mitstreiter zu gewinnen. Gleichzeitig sollten Stakeholder und bestehende Netzwerkstrukturen mit Blick auf eine mögliche Kooperation analysiert werden.

Im Rahmen der Bedarfs- und Bedürfnisanalyse wird die Ist-Situation in der Kommune bzw. im Sozialraum (zum Beispiel Quartier) untersucht, um darauf aufbauend Aktivitäten zur Gesundheitsförderung und Prävention bedürfnisorientiert zu entwickeln und Zugangsbarrieren zu bestehenden Angeboten abzubauen. Grundsätzlich geht es darum, zunächst alle verfügbaren Daten und Informationen zu vorhandenen Ressourcen, Gesundheitspotenzialen, gesundheitlichen und sozialen Problemlagen und Herausforderungen im Sozialraum zu sichten, nach Relevanz zu ordnen, darzustellen und zu priorisieren. Auf deren Grundlage, oft angereichert mit Erfahrungswissen von Expertinnen und Experten, werden Bedarfe für Prävention und Gesundheitsförderung für spezifische Zielgruppen abgeleitet. Mittels partizipativer Erhebungsmethoden werden zudem Bedürfnisse der Bevölkerung im Setting ermittelt. Die Analyseergebnisse bilden die Grundlage für die Zieloperationalisierung sowie die Strategie- und Maßnahmenentwicklung.

Der Anspruch kommunaler Gesundheitsförderung besteht darin, Gesundheit als relevante Dimension in allen Lebenswelten einzuführen. Das bedeutet, traditionelle Berufe wie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, pädagogische Fachkräfte in Kitas und Schulen, Ärztinnen und Ärzte sowie therapeutische Berufe erweitern ihr Handlungsspektrum um Themen der Gesundheitsförderung. Die zentralen Stakeholder gilt es bereits zu Beginn des Prozesses zu gewinnen und für die interdisziplinäre Zusammenarbeit entsprechende Vernetzungs- und Kooperationsstrukturen auf- bzw. auszubauen. Eine Verständigung über den Sinn und Auftrag des Netzwerks ist einer der beiden wesentlichen Planungsschritte beim Netzwerkaufbau.

Bei der Maßnahmenplanung und -umsetzung werden im Sinne des Setting-Ansatzes verhaltens- und verhältnisbezogene Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention aufgesetzt. Neben Vernetzungsaktivitäten und der Unterstützung von koordinierenden Tätigkeiten für Gesundheitsförderung und Prävention geht es auch um die Sensibilisierung und Qualifizierung von fachlichen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie Vertreterinnen der Zielgruppen (Peers), um aufgebaute Strukturen und Wissen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Damit sind Multiplikatorinnen und Multiplikatoren eine wichtige Strategie zur Verstetigung und Nachhaltigkeit von gesundheitsfördernden Strukturen. Sie können vielfältige Aufgaben und Funktionen übernehmen - sie informieren über Angebote, fungieren als Gatekeeper für einen niedrigschwelligen Zugang zu gesundheitsförderlichen Maßnahmen und führen zum Teil selbst Angebote durch. Wichtig ist, dass die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren entsprechend geschult und betreut werden.

Fragen der (begleitenden) Evaluation sind frühzeitig zu planen und im gesamten Prozess umzusetzen. Dabei geht es zum Beispiel um Aspekte der Zielgruppenerreichung, Aufbau von Strukturen und eine begleitende Bewertung der umgesetzten Maßnahmen. Bei unserer Beratung achten wir darauf, dass die Ansätze zur Evaluation zu den Bedarfen und den vorhandenen Ressourcen der Kommune passen.

Zitierte Literatur:
Quilling et al. 2021. Koordination kommunaler Gesundheitsförderung. Entwicklung eines Aufgaben- und Kompetenzprofils. Ergebnisbericht. GKV-Spitzenverband (Hrsg.): Berlin

Weiterführende Literaturstellen zum Thema Qualitätsentwicklung und -sicherung:  
De Bock., et al (2021): Evidenzbasierte Prävention und Gesundheitsförderung. Memorandum der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.).

Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen (2016): Ergebnisevaluation von Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung. Ein Leitfaden zur Selbstevaluation für Praktikerinnen und Praktiker, Bielefeld: LZG.NRW.

Kolip, P. (2019): Praxishandbuch Qualitätsentwicklung und Evaluation in der Gesundheitsförderung, Weinheim Basel: Beltz Juventa.

Kolip, P.et al. (2012): Gesundheitsförderung mit System quint-essenz - Qualitätsentwicklung in Projekten der Gesundheitsförderung und Prävention, Bern: Verlag Hans Huber.

Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen (LIGA.NRW) (2011): Qualitätsinstrumente in Prävention und Gesundheitsförderung. Ein Leitfaden für Praktiker in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf: LIGA.NRW.

Tempel, N., et al. (2013):  Qualitätssicherung von Projekten zur Gesundheitsförderung in Settings, Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.).