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Gesundheit und Entwicklungsstand bei Kindern zum Zeitpunkt der Einschulung

Damit sich alle Kinder in der Schule gesund und ihren Begabungen gemäß entwickeln können, werden in Nordrhein-Westfalen alle fünf- bis sechsjährigen Kinder vor Schulbeginn durch Schulärztinnen und Schulärzte der Gesundheitsämter untersucht. In den Schuleingangsuntersuchungen wird geprüft, ob im Hinblick auf den Schulbesuch gesundheitliche Einschränkungen bei dem jeweiligen Kind bestehen. Darüber hinaus geben die Daten aber auch einen Eindruck über den Stand der gesundheitlichen Versorgung der Kinder in Nordrhein-Westfalen und erlauben Rückschlüsse auf die Häufigkeit von Entwicklungsstörungen und schulrelevanten Erkrankungen, wie zum Beispiel Seh- und Hörstörungen. Dadurch können etwaige gesundheitliche Problemlagen auf Bevölkerungsebene identifiziert und gegebenenfalls gesundheitspolitische Maßnahmen eingeleitet werden.

Für den Einschulungsjahrgang 2015 liegen Daten zum Gesundheitszustand von rund 143.000 Einschulungskindern vor. Die jugendärztlichen Definitionen für die schulärztlichen Untersuchungen umfassen etwa 30 potenzielle Beeinträchtigungen.

Bei 46 % der Einschulungskinder wurde mindestens eine erhebliche und nicht nur vorübergehende Leistungsbeeinträchtigung oder ein medizinisch relevanter Befund festgestellt, der eine Behandlung erfordert. Die Hälfte dieser Kinder (23 %) befand sich bereits in ärztlicher Behandlung, für die andere Hälfte wurde eine weitere (fach-)ärztliche Abklärung veranlasst, um eine eventuell notwendige medizinische Behandlung noch vor Schulbeginn einzuleiten. Bei Jungen war dies mit etwa 25 % etwas häufiger gegeben als bei Mädchen (22 %).

Im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen 2015 wurden bei 21 % der untersuchten Kinder Entwicklungsstörungen im Bereich der Sprache festgestellt. Die meisten Kinder befanden sich deshalb jedoch bereits in Behandlung (15 %). Bei 5 % der Mädchen und 6 % der Jungen lag eine nicht ausreichend therapierte Sprachentwicklungsstörung vor (siehe Abbildung 1).

Gesundheitsindikator 3.57: Befunde bei Einschulungsuntersuchungen nach  Geschlecht

Eine Herabsetzung der Sehschärfe wurde bei 20 % der Kinder festgestellt, (siehe Befund "Sehen", Abbildung 1). Die Hälfte dieser Kinder war augenärztlich gut versorgt - beispielsweise mit einer Brille. Bei 10 % der Kinder war jedoch die Einleitung einer weiteren medizinischen Abklärung notwendig. Die Häufigkeit der Weitervermittlung zur Augenärztin oder zum Augenarzt kann auf eine unzureichende Kontrolle der Sehfähigkeit im Vorschulalter hinweisen. Eine weitere Ursache könnte die hohe Entwicklungsdynamik der Sehschärfe im frühen Kindesalter sein.

Ähnlich wie bei der Sehminderung gibt es bei der Identifizierung von schulrelevanten Hörstörungen keine Geschlechterunterschiede (jeweils 7 %) und einen hohen Anteil an Fällen, bei denen eine weitere medizinische Abklärung durch eine Fachärztin oder einen Facharzt notwendig ist.

Grafik zu ausgewählten Befunden der schulärztlichen Untersuchungen zur Einschulung aus 2015, getrennt nach Mädchen und Jungen
Abbildung 1: Ausgewählte Befunde der schulärztlichen Untersuchungen zur Einschulung in Prozent, Nordrhein-Westfalen, 2015. Dokumentation der schulärztlichen Eingangsuntersuchungen. LZG.NRW

Auffälligkeiten der Körperkoordination gehören ebenfalls zu den häufigeren Befunden (17 %) im Rahmen der Einschulungsuntersuchung. Dieser Befund wurde bei Jungen mit 21 % deutlich häufiger gestellt als bei Mädchen (13 %). In der Regel ist die Abweichung von der Norm jedoch leicht und nicht behandlungsbedürftig. In diesen Fällen erfolgt eine schulärztliche Beratung, um dadurch Maßnahmen wie beispielweise kompensatorischen Sport einzuleiten. Wenn schwerwiegende gesundheitliche Störungen vorliegen, befinden sich die Kinder größtenteils bereits in Behandlung (siehe Abbildung 1).
Knapp zwei Drittel der Kinder (91.000) wurden auch auf Verhaltensauffälligkeiten untersucht, davon wurden als medizinisch relevant verhaltensauffällig 5 % der Jungen und 2 % der Mädchen bewertet (siehe Abbildung 1).

Die Lebenszusammenhänge, in denen Kinder aufwachsen, haben Einfluss auf ihre Gesundheit und das Ausmaß ihrer gesundheitlichen Versorgung. Bei den untersuchten Kindern des Einschulungsjahrgangs 2015, deren Eltern einen niedrigen Bildungsstand aufwiesen, wurde bei jedem dritten Kind eine nicht ausreichend ärztlich behandelte gesundheitliche Beeinträchtigung festgestellt. Kinder von Eltern mit einem hohen Bildungsstand waren hingegen nur halb so häufig betroffen (3-stufiger Bildungsindex nach Jöckel et al. 1997). Auch Kinder mit familiärer Migrationsgeschichte - ermittelt anhand der Erst- bzw. Familiensprache - wiesen häufiger eine nicht ausreichend ärztlich behandelte gesundheitliche Beeinträchtigung auf als Kinder ohne Migrationsgeschichte (30 % versus 21 %). Wenn Effekte von Bildung, Migrationsgeschichte und anderen Einflussvariablen kontrolliert werden, zeigt sich, dass der Besuch einer Kindertagesstätte von mehr als einem Jahr die Wahrscheinlichkeit verringert, dass Kinder im Rahmen der Einschulungsuntersuchungen einen Befund erhalten, der einer weiteren medizinischen Abklärung bedarf [Rosenkötter et al. 2012]. Der mehrjährige Kita-Besuch scheint demnach die gesundheitliche Entwicklung und/oder Versorgung der Kinder positiv zu beeinflussen.

Dokumentation der schulärztlichen Eingangsuntersuchungen. Landeszentrum Gesundheit NRW (LZG.NRW).

Jöckel KH, Babitsch B, Bellach BM, et al.: Messung und Quantifizierung soziographischer Merkmale in epidemiologischen Studien. Empfehlungen der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Epidemiologie (DAE), der Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) und der Deutschen Region der Internationalen Biometrischen Gesellschaft. Arbeitsgruppe "Epidemiologische Methoden" in der DAE, der GMDS und der DGSMP (1997).

Rosenkötter N, van Dongen MC, Hellmeier W, et al.: The influence of migratory background and parental education on health care utilisation of children. European Journal of Pediatrics. 171 (2012), Nr. 10, S. 1533-1540.