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Verletzungen und Vergiftungen

Die Zahl der Personen, die in Nordrhein-Westfalen wegen einer Verletzung oder Vergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert werden mussten, lag im Jahr 2015 bei rund 423.000 Fällen. Die Rate stationärer Behandlungen aufgrund von Verletzungen oder Vergiftungen ist demnach gegenüber 2006, nach Altersstandardisierung, um ca. 8,6 % angestiegen. Rund 2,5 % der weiblichen und 2,3 % der männlichen Bevölkerung wurden 2015 wegen einer Verletzung oder Vergiftung im Krankenhaus behandelt. Je nach Altersgruppe sind allerdings größere Differenzen zu erkennen. Jungen und junge Männer sind durchgängig häufiger betroffen als Mädchen und junge Frauen. Erst ab einem Alter von etwa 65 Jahren liegt die Rate der Frauen, die wegen einer Verletzung oder Vergiftung in einem Krankenhaus behandelt werden mussten, höher als die der Männer. Abbildung 1 zeigt die Krankenhausbehandlungen in 2015 für die ICD-10 Gruppe S00 bis T98: Diese umfasst körperliche Verletzungen und Vergiftungen, Erfrierungen, Verbrennungen und Verätzungen und sonstige Schädigungen durch äußere Ursachen.

Säulendiagramm zur Altersverteilung der  Krankenhausbehandlungen infolge von Verletzungen/Vergiftungen bei Frauen und Männern in NRW für das Jahr 2015
Abbildung 1: Krankenhausbehandlungen infolge von Verletzungen und Vergiftungen (ICD-10: S00-T98) je 100.000 Einw., nach Alter und Geschlecht, Nordrhein-Westfalen 2015. IT.NRW, Indikator 3.111: LZG.NRW

Gesundheitsindikator 3.110: Verletzungen und Vergiftungen nach Geschlecht, NRW, 2007 - 2017

Gesundheitsindikator 3.111: Krankenhausfälle infolge von Verletzungen und Vergiftungen nach Alter und Geschlecht, NRW

Das Verletzungs- und Vergiftungsgeschehen in Deutschland wird anhand amtlicher Statistiken nur unzureichend abgebildet. Bei Unfällen ohne polizeiliche Aufnahme oder bei Freizeitunfällen, bei Verletzungen bzw. Vergiftungen ohne Krankenhausaufenthalt und gesetzliche Meldepflicht werden diese Fälle nicht erfasst. So wurde 2010 nur jeder zweite Unfall ambulant und jeder fünfte Unfall stationär behandelt [Varnaccia et al. 2013]. Eine wichtige Ergänzung der Datengrundlage sind daher repräsentative Befragungen der Bevölkerung, um die Gesamtheit der Unfälle und Verletzungen abschätzen zu können. Im Rahmen der GEDA Studie 2012 des Robert Koch-Instituts [RKI 2014] wurden in Nordrhein-Westfalen 4.172 Erwachsene telefonisch befragt. 10,9 % der Teilnehmenden berichteten von mindestens einer Verletzung oder Vergiftung in den letzten zwölf Monaten, die eine ärztliche Behandlung erforderte. Damit liegt Nordrhein-Westfalen leicht über dem Bundesdurchschnitt von 9,6 %. Bei 92,4 % der Verletzungen und Vergiftungen handelte es sich um Unfälle. Angriffe oder Selbstverletzungen spielten anteilsmäßig nur eine geringe Rolle.

Die meisten dieser Unfälle geschahen in der Freizeit (52,2 %), zu Hause bzw. in unmittelbarer Umgebung der eigenen Wohnung (27,3 %) und am Arbeitsplatz (16,3 %). Unfälle in der Schule bzw. Ausbildungsstätte (1,5 %) bzw. auf dem Weg zur Arbeit/Schule/Ausbildungsstätte (2,7 %) spielten bei dieser Erwachsenenbefragung eine untergeordnete Rolle.

Zur Häufigkeit von Verletzungen (einschließlich Vergiftungen und Verbrennungen) unter Jugendlichen zwischen 11 und 15 Jahren gibt die HBSC-Studie für Nordrhein-Westfalen Auskunft [WHO CC 2012]. In 2009/2010 gaben 47 % der Mädchen und 58 % der Jungen an, mindestens eine Verletzung im letzten Jahr erlitten zu haben, die professionell versorgt werden musste.

Verletzungen können auch durch (häusliche) Gewalt bedingt sein. Eine europaweit angelegte Studie zeigt beispielsweise aktuell für Deutschland, dass 22 % der befragten Frauen körperliche und/oder sexuelle Gewalt durch derzeitige oder frühere Partnerinnen oder Partner erlebt haben. Der Anteil an Frauen, die Gewalt erfahren haben, steigt auf 35 % wenn auch Gewalt durch andere Personen hinzugerechnet wird [FRA 2014]. Auch Männer werden Opfer von Gewalt, allerdings erleben sie eher körperliche Gewalt durch fremde Personen, insbesondere im öffentlichen Raum, während bei Frauen Gewalt durch Partnerinnen oder Partner und sexuelle Gewalt überwiegen [Hornberg et al. 2008].

Säulendiagramm zur Altersverteilung der  Krankenhausbehandlungen infolge von Schenkelhalsfrakturen bei Frauen und Männern in NRW für das Jahr 2015
Abbildung 2: Krankenhausbehandlungen infolge von Schenkelhalsfrakturen (ICD-10: S72) je 100.000 Einw., nach Alter und Geschlecht, Nordrhein-Westfalen, 2015. IT.NRW, LZG. NRW

Für ältere Menschen stellen Stürze ein hohes Verletzungsrisiko dar. Es wird geschätzt, dass bundesweit etwa 30 % der zu Hause lebenden Personen ab 65 Jahren und etwa 50 % der über 80-Jährigen mindestens einmal pro Jahr stürzt [Ärztekammer Nordrhein 2006]. Bei Älteren haben Stürze häufig Schenkelhalsfrakturen zur Folge, welche in der Regel stationär behandelt werden (siehe Abbildung 2). Während und nach der operativen Behandlung ist das Mortalitätsrisiko um 5 bis 15 % erhöht. 50 % der Patientinnen und Patienten erhalten ihre ursprüngliche Beweglichkeit nicht mehr zurück. In 20 % der Fälle bedingt die Schenkelhalsfraktur den Beginn einer Pflegebedürftigkeit. Hiervon sind vor allem Frauen betroffen [Balzer et al. 2012]. 2015 waren in Nordrhein-Westfalen von 39.969 Patientinnen und Patienten mit Schenkelhalsfrakturen allein 45 % Frauen im Alter von über 80 Jahren. Zu den erfolgversprechenden Präventionsmaßnahmen zählt die Verminderung des Sturzrisikos durch eine entsprechende Ausstattung von Wohnungen und Pflegeeinrichtungen und durch altersgemäße Bewegungsprogramme (siehe auch Landesinitiative Sturzprävention NRW).

Vergiftungsunfälle kommen mehrheitlich im Kindesalter vor und sind im Erwachsenenalter eher selten. Bei Kindern handelt es sich dabei häufig um Ingestionsunfälle, vorwiegend durch das Verschlucken von Haushaltschemikalien, wohingegen bei Erwachsenen am ehesten Vergiftungsunfälle durch die Aufnahme natürlicher Toxine durch giftige Pflanzen und Pilze sowie durch Schlangenbisse auftreten. Generell lassen sich Vergiftungen im Erwachsenenalter jedoch hauptsächlich auf Suizidversuche und Drogenmissbrauch zurückführen [Zilker 2014].

Gesundheitsindikator 3.112: Arbeitsunfähigkeitsfälle infolge von Verletzungen und Vergiftungen bei den BKK-Mitgliedern nach Alter und Geschlecht, NRW

Gesundheitsindikator 3.115: Gestorbene infolge äußerer Ursachen von Morbidität und Mortalität (Unfälle, Suizid etc.) nach Alter und Geschlecht, NRW

Krankenhausstatistik. Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW).

Gesundheit in Deutschland Aktuell (GEDA) 2012. Robert Koch-Institut.

Ärztekammer Nordrhein (Hrsg.): Förderung von Sicherheit, Selbständigkeit und Mobilität - Prävention von Sturz und sturzbedingter Verletzung. 3. überarbeitete Auflage. Düsseldorf: Ärztekammer Nordrhein 2006.

Balzer K, Bremer M, Schramm S, Lühmann D, Raspe H: Sturzprophylaxe bei älteren Menschen in ihrer natürlichen Wohnumgebung. Schriftenreihe Health Technology Assessment (HTA) in der Bundesrepublik Deutschland. Köln: Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) (Hrsg.) 2012.

Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) (Hrsg.): Gewalt gegen Frauen: eine EU-weite Erhebung. Ergebnisse auf einen Blick. Luxemburg: Agentur der Europäischen Union für Grundrechte 2014.

Hornberg C, Schröttle M, Bohne S, Khelaifat N, Pauli A: Gesundheitliche Folgen von Gewalt unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen. Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 42. Berlin: Robert Koch-Institut (Hrsg.) 2008.

Robert Koch-Institut (RKI). Daten und Fakten: "Ergebnisse der Studie Gesundheit in Deutschland aktuell 2012". Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin: Robert Koch-Institut (Hrsg.) 2014.

Varnaccia G, Rommel A, Saß AC: Das Unfallgeschehen bei Erwachsenen in Deutschland. Ergebnisse des Unfallmoduls der Befragung "Gesundheit in Deutschland aktuell 2010". Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin: Robert Koch-Institut (Hrsg.) 2013.

WHO Collaborating Centre for Child and Adolescent Health Promotion: Verletzungen von Kindern und Jugendlichen in NRW (WHO CC) (Hrsg.). Faktenblatt zur Studie Health Behaviour in School-aged Children 2009/10 in NRW. Bielefeld: WHO CC 2012.

Zilker T: Akute Intoxikationen bei Erwachsenen - was Sie wissen sollten. Deutsche Medizinische Wochenschrift, 139 (2014), S. 31-46.