Hauptinhaltsbereich

Emerging Diseases - neu auftretende Erreger in NRW

Unter der Begrifflichkeit "Emerging Diseases" sind neu auftretende Infektionskrankheiten zusammengefasst, deren Ursachen vielfältig sind.

Aufgrund des Klimawandels kommt es weltweit zu einer Verschiebung der Lebensräume von Tieren und Insekten und dadurch zur Ausbreitung von ansonsten tropischen zoonotischen Infektionskrankheiten. Dabei bilden vor allem Nagetiere, Fledermäuse oder Vögel Erreger-Reservoire, können aber auch direkt an einer Übertragung auf den Menschen beteiligt sein, wohingegen Insekten wie Zecken, Sand- oder Stech-Mücken als Erreger-Vektoren fungieren.

Weitere Aspekte, wie die Globalisierung und steigende Mobilität der Menschen im Rahmen des Tourismus oder des internationalen Güterverkehrs, fördern den Eintrag und die Vermehrung neuartiger Erreger. Durch die Urbanisierung treffen zudem Menschen und Gesundheitsschädlinge häufiger aufeinander.

Vor diesem Hintergrund sollte zum Schutz der öffentlichen Gesundheit das Auftreten sowohl neuartiger bzw. unüblicher Erreger als auch deren Überträger in Deutschland aufmerksam beobachtet werden.

Im Folgenden werden die für Deutschland besonders relevanten "emerging diseases" in Steckbriefen kurz beschrieben.

Erreger
Chikungunya-Virus (Alphavirus)

Vorkommen
Afrika, Süd-und Südostasien, Indien, Arabische Halbinsel, Inseln im Indischen Ozean, Karibische Inseln, Süd-, Mittel-und Nordamerika, vereinzelte Ausbrüche in Südeuropa (zum Beispiel Italien)

Reservoir
Warmblüter (Nagetiere, Primaten und andere Affen)

Infektionsweg
Stechmücken (Aedes spec., Culex, Anopheles)

Inkubationszeit
3-12 Tage

Übertragung von Mensch zu Mensch
Nein

Klinische Symptome
Plötzlicher, schneller Fieberanstieg, Kopf-, Muskel-und Gelenkschmerzen (Gelenke können geschwollen und berührungsempfindlich sein), bisweilen makulopapulöses Exanthem, Konjunktivitis, Petechien treten häufig auf. Die Erkrankung verläuft in der Regel selbstlimitierend und sehr selten tödlich.

Die häufig beidseitig auftretenden Gelenkbeschwerden können nach Abklingen des Fiebers auch noch Wochen oder Monate lang anhalten.

Prophylaxe
Schutz vor Mückenstichen, Vektorkontrolle, lediglich symptomatische Therapie, kein Impfstoff verfügbar

Erreger
Dengue-Virus (Flavivirus), vier unterschiedliche Serotypen (DEN-1, DEN-2, DEN-3, DEN-4)

Vorkommen
Endemisch in über 100 tropischen und subtropischen Gebieten Asiens, Mittel- und Südamerikas, Afrikas, des Mittleren Ostens, und auf den pazifischen Inseln. Darüber hinaus zeigt sich auch eine Ausbreitungstendenz, etwa in Südeuropa.

Reservoir
Mensch

Infektionsweg
Übertragung durch Stechmücken (insbesondere Aedes aegypti, gelegentlich auch Aedes albopictus)

Inkubationszeit
3-14 Tage, gewöhnlich 4-7 Tage

Übertragung von Mensch zu Mensch
Nein

Klinische Symptome
Unterschiedliche Verlaufsformen möglich:
In 75 % der Fälle erkranken die Menschen ohne Symptome oder entwickeln eine milde fieberhafte Erkrankung. Bei einem kleinen Teil der Erkrankten tritt eine schwere Verlaufsform (Dengue-hämorrhagischen Fieber) auf, die sich 3 bis 7 Tage nach Auftreten der ersten Symptome mit starken Bauchschmerzen, anhaltendem Erbrechen, schneller Atmung, blutenden Schleimhäuten, Bluterbrechen, Erschöpfung oder Unruhe ankündigen kann. In besonders schweren Fällen kann es zu einer Schocksymptomatik kommen.

Eine abgelaufene Infektion sorgt für eine vermutlich lebenslange Serotyp-spezifische Immunität, aber nur für eine 1 bis 2 Jahre andauernde Kreuzimmunität für die anderen Serogruppen.

Nach Zweitinfektionen mit anderem Serotyp gelegentlich schwerer Verlauf.

Prophylaxe
Expositionsprophylaxe (Schutz vor Mückenstichen), Vektorkontrolle, Schutzimpfung Qdenga (für Personen ≥ 4 Jahren, die in der Vergangenheit eine labordiagnostisch gesicherte Dengue-Virusinfektion durchgemacht haben. Entweder als Reiseimpfung vor Reisen in Dengue-Endemiegebiete oder beruflich indiziert, bei gezielten Tätigkeiten mit Dengue-Viren. Ob der Impfstoff für Dengue-naive Personen geeignet ist, kann aufgrund der derzeit verfügbaren Daten nicht abschließend beurteilt werden.), Therapie lediglich symptomatisch

Erreger
Gelbfiebervirus (Flavivirus)

Vorkommen
Zentral- und West-Afrika (Nord-Süd-Ausdehnung der Gelbfieberzone ungefähr von der Südhälfte von Tschad und Sudan bis Angola/Sambia), Südamerika (vor allem Bolivien, Brasilien, Ecuador, Kolumbien und Peru) sowie einzelne Inseln der Karibik. Bislang keine Fälle in Asien bekannt, lokale Weiterverbreitung importierter Infektionen jedoch denkbar, da in vielen Ländern Asiens die Gelbfiebermücke vorkommt.

Reservoir
Primaten

Infektionsweg
Stechmücken (Aedes spec., Haemagogus spec.)

Inkubationszeit
3-6 Tage

Letalität
10-20 %, bei toxischer Phase ca. 50 %

Übertragung von Mensch zu Mensch
Nein (Ausnahme: Blutspende)

Klinische Symptome
Bei der Mehrzahl kommt es zu asymptomatischen Verläufen oder Erkrankungen mit milder Symptomatik (vor allem bei Kindern)

Erkrankung verläuft üblicherweise in zwei Phasen:

  1. akuter Beginn mit Fieber (39-40°C), Schüttelfrost, Myalgien, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Nasenbluten, relative Bradykardie; nach 3 bis 4 Tagen Rückgang der Symptome und bei Mehrzahl der Patienten Genesung.
  2. toxische Phase (bei 15% der Erkrankten), zum Teil nach kurzer Besserung innerhalb kurzer Zeit schweres Krankheitsbild: steigendes Fieber bei fallendem Puls, kaffeesatzartiges Bluterbrechen, blutige Durchfälle und Blutungen aus verschiedenen Körperöffnungen, sowie in verschiedenen Organen und der Haut, Störung der Leberfunktion mit Ikterus, Störung der Nierenfunktion. Zentralnervöse Störungen möglich. Überstehen der Krankheit führt zu einer lebenslangen Immunität.

Prophylaxe
Expositionsprophylaxe (Schutz vor Mückenstichen), Vektorbekämpfung, Impfung

Erreger
West-Nil-Virus (Flavivirus, Subtypen I und II)

Vorkommen
Alle Erdteile sind betroffen. Vor allem Afrika, Israel, Mittlerer Osten, Indien, Teile Südostasiens, Nord- und Teile Mittelamerikas und Europa (Südfrankreich, Norditalien, Westtürkei, Griechenland und weite Teile des Balkans, Teile von Tschechien, Ungarn, Slowakei und Österreich sowie Deutschland)

Reservoir
Wild lebende Vögel

Infektionsweg

  • Übertragung durch Stechmücken (vor allem Culex-, aber auch Aedes- und Mansonia-Arten)
  • Organtransplantation
  • Bluttransfusion
  • Während der Schwangerschaft auf das ungeborene Kind

Inkubationszeit
2-14 Tage

Übertragung von Mensch zu Mensch
Nein, Ausnahmen siehe Infektionsweg

Klinische Symptome
Überwiegende Zahl der Infektionen verläuft klinisch unauffällig.

20 % der Infizierten entwickeln grippeähnliche Erkrankungsbilder mit abruptem Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Rückenschmerzen, Abgeschlagenheit und Lymphknotenschwellungen, bei ca. 50 % Entwicklung eines blassen, makulopapulösen Exanthems.

Mögliche Komplikationen bei 1 von 100 Infizierten sind Meningitis und Enzephalitis. Selten Entzündungen des Herzens und der Leber.

In der Regel komplikationslose Ausheilung, Spätfolgen bei Enzephalitis bei ca. 50 % der Patienten, Letalität bei neuroinvasiver WN-Erkrankung von 5-10 % (vor allem bei älteren Patienten).

Prophylaxe
Expositionsprophylaxe (Schutz vor Mückenstichen, Beseitigung von potentiellen Mückenbrutplätzen)

Erreger
Zikavirus (Flavivirus)

Vorkommen
Weltweit wärmere Regionen, Zikaviren zirkulieren in den tropischen und tropennahen subtropischen Regionen aller Kontinente

Reservoir
Unbekannt

Infektionsweg

  • Stich infizierter Stechmücken der Gattung Aedes, Hauptüberträger ist die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti)
  • Sexuelle Übertragung von Mensch zu Mensch möglich
  • Übertragungen durch Transfusionen möglich

Inkubationszeit
3-12 Tage (meist 3-7 Tage)

Übertragung von Mensch zu Mensch
Ja (sexuell)

Klinische Symptome
Die meisten Zikavirusinfektionen verlaufen ohne Symptome. Wenn Symptome auftreten, werden diese im Vergleich zu anderen tropischen, durch Mücken übertragener Infektionen als milder ausgeprägt beschrieben. Am häufigsten sind dann Hautausschlag, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen, Bindehautentzündung und manchmal Fieber.

Infektionen in der Schwangerschaft können zu Fehlbildungen beim Fötus (zum Beispiel pränatale Mikrozephalie) führen.
In seltenen Fällen kann es zu einem Guillain-Barré-Syndrom kommen.

Prophylaxe
Schutz vor Mückenstichen, schwangeren Frauen wird empfohlen, von vermeidbaren Reisen in Zika-Gebiete abzusehen, Frauen und ihren Partnern, die eine Schwangerschaft planen, wird empfohlen sich vor einer möglichen Reise in ein Zika-Gebiet reisemedizinisch zur Situation vor Ort beraten zu lassen und mit ihrem Arzt mögliche Risiken und Konsequenzen einer Zikavirusinfektion zu besprechen. Mit einer Schwangerschaft sollte nach Empfehlungen der WHO für die Dauer der Reise und je nachdem, welcher Partner gereist ist, für bestimmte Zeiträume nach Reiseende gewartet werden. Vektorkontrolle, keine spezifische Therapie, kein Impfstoff verfügbar