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Acinetobacter baumannii-Gruppe

1. Epidemiologie

Acinetobacter baumannii gehört seit Jahren weltweit zu den 6 häufigsten Erregern der nosokomialen und der beatmungsassoziierten Pneumonie. Andererseits hat die Häufigkeit von publizierten Berichten über Ausbrüche, die durch A. baumannii verursacht wurden, in den letzten Jahren erheblich zugenommen.

Die weltweite Ausbreitung und Zunahme Carbapenem-resistenter A. baumannii-Klone (4MRGN) ist am ehesten als ein Problem anzusehen, das mit der stationären oder ambulanten Versorgung von Patientinnen und Patienten assoziiert ist. 3MRGN A. baumannii sind weniger gut untersucht und die Verbreitung über Einrichtungen des Gesundheitssystems ist nicht gesichert.

Neben A. baumannii gibt es weitere klinisch-relevante Spezies innerhalb der Gattung Acinetobacter, so werden neben A. baumannii alle zur A. baumannii-Gruppe gehörigen Spezies auch als MRGN klassifiziert.

2. Risikofaktoren

Risikofaktoren sind unter anderem:

  • ein längerer Krankenhausaufenthalt,
  • Aufenthalt auf Intensivstation,
  • Beatmung,
  • vorangegangene Antibiotikatherapie,
  • Operationen,
  • invasive Maßnahmen,
  • Schwere der Grunderkrankungen.  

3. Übertragung/Infektionsweg

Die Übertragung von A. baumannii erfolgt durch direkten oder indirekten Kontakt zu Quellen aus der belebten und in nennenswerten Umfang auch der unbelebten Umgebung der Patientin oder des Patienten.

4. Präventionsmaßnahmen: Isolierung

Isolierungsmaßnahmen von Patientinnen und Patienten mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen sind grundsätzlich sinnvoll in Abhängigkeit von den stationären Risikobereichen und werden als Einzelzimmer- beziehungsweise Kohortenisolierung durchgeführt.

  • Patientinnen und Patienten mit Besiedlung oder Infektion durch 3MRGN A. baumannii sind in Risikobereichen, Patientinnen und Patienten mit Besiedlung oder Infektion durch 4MRGN A. baumannii in allen Krankenhausbereichen zu isolieren.
  • Risikobereiche sind nach individueller Risikoabwägung, z. B. auf Basis des Patientengutes und baulich-struktureller Gegebenheiten, festzulegen, wobei Intensivstationen, inklusive der Neonatologie und hämatologisch-onkologische Stationen, als Bereiche mit besonders gefährdeten Patientengruppen gelten.
  • Es ist eine offene Frage, ob in der endemischen Situation Patientinnen und Patienten, die Aufgrund des Verdachtes der Besiedlung, einer nachgewiesenen Besiedlung oder Infektion mit 4MRGN A. baumannii isoliert werden, durch speziell zugeordnetes Personal gepflegt werden sollen. 

5. Präventionsmaßnahmen: Screening

  • Es sind alle Patientinnen und Patienten mit Risiko für eine Besiedlung oder Infektion mit 4MRGN A. baumannii zu screenen und bis zum Vorliegen der Ergebnisse zu isolieren. Als Risikopatientinnen und Risikopatienten gelten Menschen mit kürzlichem Kontakt zum Gesundheitssystem in Ländern mit endemischem Auftreten und Patientinnen und Patienten die zu 4MRGN A. baumannii-positiven Patientinnen oder Patienten Kontakt hatten, d. h. im gleichen Zimmer gepflegt wurden. Darüber hinaus Patientinnen und Patienten mit einem stationären Krankenhausaufenthalt (> 3 Tage) in den zurückliegenden 12 Monaten in einer Region mit erhöhter 4MRGN-Prävalenz. Alle Früh- und Neugeborenen, die intensivmedizinisch behandelt werden.
  • Es sind Screening-Richtlinien auf Basis der Patientenstruktur festzulegen und regelmäßig auf Basis aktueller Informationen zu aktualisieren.
  • Es ist für Screeningproben in Absprache mit dem Labor eine möglichst sensitive Screeningmethode festzulegen, die neben Abstrichen aus dem Mund-Rachen-Raum möglichst großflächige Proben der Haut einschließt. Ergänzung NICU: MRGN-Infektionserreger besiedeln hauptsächlich den Gastrointestinaltrakt, seltener zusätzlich oder ausschließlich die Schleimhaut der oberen Atemwege. Daher sind ein Analabstrich und ein Rachenabstrich als Screeningmaterialien geeignet.
  • Screeningablauf in NICUs:
    - wöchentlich (immer am gleichen Wochentag um neu aufgetretene Kolonisationen zeitnah erkennen zu können),
    - gegebenenfalls muss das Intervall des Screenings gekürzt werden,
    - zusätzlich ist ein Screening bei Übernahme von Patientinnen und Patienten aus anderen NICUs oder Intensivabteilungen anderer Fachdisziplinen erforderlich (zum Beispiel Kinderchirurgie, Neurochirurgie, Herzchirurgie).
  • Ein aktives Screening auf 3MRGN A. baumannii in der endemischen Situation zur Prävention der weiteren Verbreitung ist nicht durchzuführen, da es sich nicht als effektiv erwiesen hat. Screening aus anderen Gründen, zum Beispiel als Grundlage für kalkulierte empirische Antibiotika-Therapien in der Intensivmedizin, bleibt davon unberührt. 

6. Sanierung

  • Keine selektive Darmdekontamination zur Sanierung der A. baumannii-Besiedelung durchführen.
  • Es ist eine offene Frage, ob eine antiseptische Ganzkörperwaschung zur Eradikation von A. baumannii effektiv ist.

Quellen:

Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI). Erschienen im Bundesgesundheitsblatt 10 (2012), S. 1311-1354.

Ergänzung zu den "Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen" (2012) im Rahmen der Anpassung an die epidemiologische Situation. Epidemiologisches Bulletin 21 (2014), S. 183-184.

Praktische Umsetzung sowie krankenhaushygienische und infektionspräventive Konsequenzen des mikrobiellen Kolonisationsscreenings bei intensivmedizinisch behandelten Früh- und Neugeborenen. Epidemiologisches Bulletin 42 (2013), S. 421-436.