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Multiresistente gramnegative Stäbchen (MRGN)

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Nachdem die letzten Jahrzehnte durch eine zunehmende Ausbreitung grampositiver nosokomialer Infektionserreger gekennzeichnet waren, zeichnet sich in den letzten Jahren eine Zunahme der Resistenzen bei gramnegativen Stäbchen-Bakterien ab. Diese Zunahme ist nicht nur durch die Verbreitung einzelner Resistenzgene in einzelnen Spezies gekennzeichnet, sondern auch durch das Auftreten und die rasche Verbreitung immer neuer Resistenzgene, die zwischen verschiedenen gramnegativen Spezies ausgetauscht werden können.

Die zum Teil einschneidenden klinischen Konsequenzen mit fehlenden Therapieoptionen und hoher Mortalität der Infektionen machen ein abgestimmtes Vorgehen erforderlich, welches transparent ist sowohl für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte als auch für die betroffenen Patientinnen und Patienten.

Empfehlung des Robert Koch-Instituts
Die Empfehlung "Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen" der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut richtet sich primär an die Träger und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Krankenhäusern. Auch in anderen medizinischen Einrichtungen, in denen invasive Therapien, z. B. Beatmungen in der neurologischen Rehabilitation, durchgeführt werden, kann sie hilfreich sein. Einrichtungen, die den Lebensbereich der Patientinnen und Patienten darstellen (Alten- und Pflegeheime), werden in der Empfehlung derzeit nicht berücksichtigt. Hier ist eine eigene individuelle Risikoabwägung empfehlenswert, wie sie in den Empfehlungen zur "Infektionsprävention in Heimen" dargestellt wird. Aufgrund der Eigenschaften der gramnegativen Stäbchen sollten die Maßnahmen in Heimen jedoch nicht über die Maßnahmen, die für MRSA-positive Bewohnerinnen und Bewohner festgelegt sind, hinausgehen.

Die Empfehlung stellt speziell Maßnahmen zur Prävention der Übertragung von multiresistenten gramnegativen Stäbchen zusammen.

Grundlegende Maßnahmen zur Infektionsprävention sind den entsprechenden weiteren Empfehlungen der KRINKO zu entnehmen. Hier sei insbesondere auf die "Empfehlungen zur Händehygiene" und "Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen" verwiesen. Spezielle Maßnahmen für besonders gefährdete Patientenpopulationen finden sich in den entsprechenden Empfehlungen "Anforderungen an die Hygiene bei der medizinischen Versorgung von immunsupprimierten Patienten" und "Empfehlung zur Prävention nosokomialer Infektionen bei neonatologischen Intensivpflegepatienten mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g".

Da es sich bei den behandelten Mikroorganismen um Erreger mit speziellen Resistenzen handelt, soll eine Surveillance entsprechend den Erläuterungen des Robert Koch-Institutes zur Surveillance von nosokomialen Infektionen sowie zur Erfassung von Erregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen gemäß § 23 Abs. 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG) erfolgen.

Klassifizierung nach phänotypischen Resistenzeigenschaften
Multiresistente gramnegative Stäbchen werden in der neuen KRINKO ausschließlich auf der Basis ihrer phänotypischen Resistenzeigenschaften von 4 Antibiotikagruppen klassifiziert. Da in der Neonatologie und Pädiatrie eine empirische Therapie mit Fluorchinolonen nicht in Frage kommt, ist die Anwendbarkeit der KRINKO-Definition von MRGN für erwachsene Patientinnen und Patienten in der NICU (neonatal intensiv care unit, Kinderintensivstationen) und in der Pädiatrie limitiert. Auch die Bewertung von Resistenzprofilen in der NICU aus klinisch therapeutischer Sicht ist eine andere als auf Intensivstationen für erwachsene Patientinnen und Patienten. Als Ergänzung der genannten Definitionen wird es daher als sinnvoll erachtet, für gramnegative Isolate von neonatologischen oder pädiatrischen Patientinnen und Patienten die zusätzliche Kategorie "2MRGN NeoPäd" einzuführen, nach der ergänzenden  Empfehlung "Praktische Umsetzung sowie krankenhaushygienische und infektionspräventive Konsequenzen des mikrobiellen Kolonisationsscreenings bei intensivmedizinisch behandelten Früh- und Neugeborenen", Epid. Bull 42 2013.

Eine Multiresistenz liegt vor, wenn nur noch Stellvertretergruppen aus höchstens einer dieser Antibiotikagruppen sensibel getestet werden (Ausnahme: NICU):

  • 3MRGN: Multiresistente Stäbchen mit Resistenz gegen 3 der 4 Antibiotikagruppen,
  • 4MRGN: Multiresistente Stäbchen mit Resistenz gegen 4 der 4 Antibiotikagruppen,
  • 2MRGN NeoPäd: Multiresistente Stäbchen mit Resistenz gegen 2 der 4 Antibiotikagruppen.

Da die relativ komplexe Eingruppierung der Mikroorganismen aufgrund der Resistenzmuster die Fachkenntnis der Mikrobiologin/des Mikrobiologen oder der Labormedizinerin/des Labormediziners erfordert, empfiehlt die KRINKO, dass das Labor der einsendenden Person die Ergebnisse der Klassifizierung mitteilen soll:

  • Mitteilung der Klassifizierung als 2MRGN Neopäd, 3MRGN oder 4MRGN an die einsendende Person auf dem Befund,
  • telefonische Mitteilung des Nachweises von 4MRGN vorab an die einsendende Person,
  • NICU: telefonische Mitteilung des Nachweises von 2MRGN Neopäd, 3MRGN und 4MRGN vorab an die einsendende Person.

Bei den in dieser Empfehlung behandelten Erregern handelt sich um die folgenden 6 gramnegativen Stäbchen:

Bakterien, bei denen ESBL oder Carbapenemasen gefunden werden, verursachen nur unter bestimmten Bedingungen eine Infektion. Meistens besiedeln sie lediglich den Menschen, ohne irgendeine Erkrankung oder sonstige Schädigung hervorzurufen. Zu den Erkrankungen, die prinzipiell durch solche Bakterien hervorgerufen werden können, zählen: Harnwegsinfektion, Peritonitis, Pneumonie, Sepsis oder Wundinfektionen. Abgesehen von den Harnwegsinfektionen treten diese Erkrankungen praktisch nur bei sehr schwer kranken Patientinnen und Patienten auf, also z. B. bei Patientinnen und Patienten auf Intensivstationen, bei sehr schweren Erkrankungen oder nach schweren Unfällen. Eine Infektion durch Bakterien mit ESBL oder Carbapenemasen ist dabei anhand der Symptome nicht von einer Infektion durch Bakterien ohne solche Resistenzmechanismen zu unterscheiden.

Klassifizierung multiresistenter gramnegativer Stäbchen

Quellen:

Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI). Erschienen im Bundesgesundheitsblatt 10 (2012), S. 1311–1354.

Ergänzung zu den "Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen" (2012) im Rahmen der Anpassung an die epidemiologische Situation. Epidemiologisches Bulletin 21 (2014), S. 183-184.

Praktische Umsetzung sowie krankenhaushygienische und infektionspräventive Konsequenzen des mikrobiellen Kolonisationsscreenings bei intensivmedizinisch behandelten Früh- und Neugeborenen. Epidemiologisches Bulletin 42 (2013), S. 421-436.