Hauptinhaltsbereich
Umsetzung der KRINKO im Krankenhaus
1. Risikoanalyse und schriftliche Festlegung der Maßnahmen im Hygieneplan
Die Einzelmaßnahmen müssen nach Analyse der lokalen Epidemiologie, dem Risiko für die Patientinnen und Patienten und der Umsetzbarkeit der Maßnahmen hinsichtlich der räumlichen Gegebenheiten festgelegt werden. Für Isolierungsmaßnahmen in der Neonatologie sollen dabei die "Empfehlung zur Prävention nosokomialer Infektionen bei neonatologischen Intensivpflegepatienten mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g" und die Ergänzung zur Prävention nosokomialer Infektionen bei neonatologischen Intensivpflegepatienten herangezogen werden.
Es ist zu berücksichtigen, dass Resistenzprofile sich während eines stationären Aufenthaltes verändern können. Wird im Rahmen klinischer Untersuchungen erkannt, dass ein 3MRGN-Erreger weitere Resistenzen entwickelt, so dass er als 4MRGN eingestuft werden muss, kann eine Anpassung der Hygienemaßnahmen erforderlich werden.
2. Maßnahmen zur Verbesserung der Compliance der Mitarbeitenden, wie Schulungen und Information; Surveillance der Compliance
In einer Übersicht zu Kontrollmaßnahmen für die Verbreitung antibiotikaresistenter Mikroorgansimen berichten Siegel et al., dass in 63 % aller Originalarbeiten zur Prävention der Verbreitung von MRGN die Schulung des Personals eine Komponente war.
Robert et al. konnten die Compliance mit den eingeführten Maßnahmen durch Flyer für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit den Befunden mitgegeben wurden, verbessern.
Computer-Alarme bei Aufnahme oder Verlegung bekannter Träger multiresistenter Erreger waren weitere Maßnahmen zur Verbesserung des Informationsflusses.
Beobachtungen zur Compliance mit empfohlenen Maßnahmen und Rückmeldung der Beobachtungsergebnisse an die Mitarbeitenden tragen wesentlich zur Verbesserung der Compliance bei.
Literaturnachweis:
Siegel J, Rhinehart E, Jackson M, Chiarello L, Healthcare Infection Control Practices Advisory Committee: Management of multidrug-resistant organisms in health care settings. American Journal of Infection Control Vol. 35, Issue 10, Supplement 2 (2006), S. 165-S193, unter: http://www.ajicjournal.org/article/S0196-6553%2807%2900739-0/fulltext (Abruf: 22.04.2013)
Robert J, Renard L, Grenet K, Galerne E, Dal Farra A, Aussant M, Jarlier V: Implementation of isolation precautions: role of a targeted information flyer. Journal of Hospital Infection Vol. 62, Issue 2 (2006), S. 163-165
3. Surveillance
Die Erfassung und Bewertung der Epidemiologie von MRGN aus Routinekulturen ist eine einfache und kostengünstige Maßnahme, die durch entsprechende Regelungen im Infektionsschutzgesetz (§ 4 Abs. 2 Nr. 2b IfSG in Verbindung mit § 23 Abs. 4 IfSG) in Deutschland vorgeschrieben ist.
Insbesondere für 3MRGN, für die kein aktives Aufnahmescreening empfohlen wird, empfiehlt es sich, alle klinischen Befunde bei einer verantwortlichen Person (z. B. Hygienefachkraft) zusammenzuführen und engmaschig zu bewerten. Schon bei Auftreten eines zweiten Falles eines MRGN, für den eine Ausbruchsneigung bekannt ist (z. B. K. pneumoniae, S. marcescens, E. cloacae speziell in der Neonatologie, A. baumannii), sollten in zeitlichem und örtlichem Zusammenhang Maßnahmen entsprechend eines Ausbruchsverdachtes durchgeführt werden.
Darüber hinaus sollen gezielte Screeningprogramme für Risikopatientinnen und Risikopatienten etabliert werden. Das Vorgehen für das Screening auf 4MRGN von Patientinnen und Patienten mit kürzlichem Kontakt zum Gesundheitssystem in Ländern mit endemischem Auftreten und für Kontaktpatientinnen und Kontaktpatienten muss festgelegt werden. Hierzu gehören Algorithmen zur schnellstmöglichen Identifizierung der Risikopatientinnen und Risikopatienten, Festlegung der Verantwortung für die Durchführung des Screenings und die fachkundige Wahl einer optimalen Methodik für ein Screening.
Je nach Art der Einrichtung muss geprüft werden, ob weitere Screeningverfahren sinnvoll sind. Dazu können Wiederaufnahmescreenings in Bereichen oder Einrichtungen mit regelmäßigen oder häufigen Wiederaufnahmen der Patienten gehören. Regelmäßige Folgescreenings können in Bereichen sinnvoll sein, in denen für Patienten ein besonders hohes Infektionsrisiko besteht als Basis für eine empirische Antibiotikatherapie, z. B. in der Neonatologie oder in der Hämatologie-Onkologie. Es empfiehlt sich, solche Programme in Zusammenarbeit zwischen Klinikpersonal, Krankenhaushygienikerinnen und Krankenhaushygienikern, Mikrobiologinnen und Mikrobiologen und ggf. Infektiologinnen und Infektiologen festzulegen.
4. Durchführung von Isolierungsmaßnahmen
Isolierungsmaßnahmen von Patientinnen und Patienten mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen sind grundsätzlich sinnvoll in Abhängigkeit von den stationären Risikobereichen und werden als Einzelzimmer- beziehungsweise Kohortenisolierung durchgeführt.
Weiterer Risikofaktor für 4MRGN: Patientinnen und Patienten mit einem stationären Krankenhausaufenthalt (> 3 Tage) in den zurückliegenden 12 Monaten in einer Region mit erhöhter 4MRGN-Prävalenz.
5. Sanierungsmaßnahmen
Sanierungsmaßnahmen für MRGN sind derzeit nicht evaluiert und können daher nicht als Bestandteil von Kontrollprogrammen für MRGN empfohlen werden.
6. Informationsweitergabe
Die aufgeführten Maßnahmen können nur dann zeitnah und effizient durchgeführt werden, wenn Informationen unverzüglich an alle relevanten Stellen weitergegeben werden. So muss durch geeignete Mittel sichergestellt werden, dass Informationen aus dem Labor krankenhausintern an behandelnde Ärztinnen und Ärzte und das Hygienefachpersonal weitergegeben werden. Innerhalb des Hauses müssen bei Verlegungen und in diagnostischen und therapeutischen Abteilungen die notwendigen Informationen vor Ankunft der Patientin oder des Patienten vorliegen.
Bei Verlegung in andere Krankenhäuser, nachsorgende Einrichtungen oder Heime soll die Information über die Besiedelung weitergegeben werden, wobei Hinweise auf die Konsequenz des Befundes mitgegeben werden sollen. So hat die Besiedlung mit 4MRGN in allen medizinischen und pflegerischen Einrichtungen Konsequenzen, während die Besiedelung mit 3MRGN nur in Risikobereichen zu Konsequenzen führt.
Bei Verlegung, Überweisung oder Entlassung der Patientin oder des Patienten besteht eine Verpflichtung zum "sektorenübergreifenden Informationsaustausch": gemäß § 2 der Verordnung über die Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen (HygMedVO NRW) müssen "Informationen, die zur Verhütung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und von Krankheitserregern mit Resistenzen erforderlich sind, in unmittelbarem Zusammenhang mit der Maßnahme" weitergegeben werden sowohl an weiterbehandelnde Ärztinnen und Ärzte oder Einrichtungen als auch an Rettungs- und Krankentransportunternehmen.
7. Antibiotikamanagement
Ein angemessener Umgang mit Antibiotika führt zur Reduktion des Selektionsdruckes und trägt somit entscheidend zur Prävention der Verbreitung von MRGN bei. Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) und die Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e. V. (PEG) arbeiten derzeit an einer Leitlinie zu den "Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus".
Quellen:
Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI). Erschienen im Bundesgesundheitsblatt 10 (2012), S. 1311–1354.
Ergänzung zu den "Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen" (2012) im Rahmen der Anpassung an die epidemiologische Situation. Epidemiologisches Bulletin 21 (2014), S. 183-184.
Praktische Umsetzung sowie krankenhaushygienische und infektionspräventive Konsequenzen des mikrobiellen Kolonisationsscreenings bei intensivmedizinisch behandelten Früh- und Neugeborenen. Epidemiologisches Bulletin 42 (2013), S. 421-436.