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Gesundheitspreis Nordrhein-Westfalen 2015

Schwerpunkt der Ausschreibung

Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung von Menschen in prekären Lebenslagen

Hintergrund
Als "prekäre Lebenslagen" werden Lebensumstände verstanden, die einerseits durch materielle Armut und andererseits durch eine eingeschränkte Teilhabe am ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen Leben in der Gemeinschaft gekennzeichnet sind. Diese Kombination bedeutet für die betroffenen Menschen, dass sie in ihrem alltäglichen Leben mit verschiedenen Problemen materieller und sozialer Art konfrontiert werden. Das Risiko, solche Lebenslagen zu erleben, ist in bestimmten Bevölkerungsgruppen erhöht - beispielsweise bei Kindern und Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen, (Langzeit-) erwerbslosen Frauen und Männern, alleinerziehenden Elternteilen, Menschen mit Migrationsgeschichte, Rentnerinnen und Rentnern mit unterdurchschnittlichen Rentenbezügen oder Personen ohne festen Wohnsitz.

Die Gesundheitsberichterstattung belegt, dass psychische und somatische Erkrankungen wie Depressionen, Suchterkrankungen, koronare Herzkrankheiten, Typ 2 Diabetes, bestimmte Tumore oder chronische Atemwegserkrankungen vorwiegend bei Personen mit geringem Einkommen auftreten (Lampert et al 2005).  Steigende Erkrankungszahlen werden auch in Zusammenhang mit einer fehlenden sozialen Teilhabe berichtet, zum Beispiel bei Menschen, die lange ohne Arbeit sind.

Diese erhöhten Erkrankungsrisiken schlagen sich in einer insgesamt verringerten Lebenserwartung nieder. Die Daten des Sozioökonomischen Panels zeigen zum Beispiel Unterschiede in der mittleren Lebenserwartung von bis zu 10 Jahren bei Menschen mit Einkommen unterhalb der Armutsgrenze gegenüber Menschen aus der einkommensstärksten Bevölkerungsgruppe (Lampert/Krol 2010). Vergleichbare Befunde liegen auch zum todesursachenspezifischen Sterblichkeitsgeschehen vor, etwa zu frühzeitigen Sterbefällen durch Herzinfarkte oder auch zur Säuglingssterblichkeit.

Menschen in prekären Lebenslagen haben ein anderes Vorsorgeverhalten, was sich beispielsweise an einer geringen Teilnahme an Programmen der Primär- und Sekundärprävention ablesen lässt (Mielck 2000; Tiesmeyer 2008). Aus diesem Grund setzt die LGK den Fokus auf vier Gruppen von Menschen in prekären Lebenslagen und geht in den Umsetzungsempfehlungen neben der Berücksichtigung unterschiedlicher Versorgungsbedarfe auch auf die Weiterentwicklung von Gesundheitsförderung und Prävention bei Erwerbslosen, die Verbesserung der Gesundheit von Menschen mit Behinderungen, den Ausbau medizinischer Versorgung wohnungsloser Menschen und die Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Migrationsgeschichte ohne gesicherten oder geklärten Zugang zur Regelversorgung ein.

Diese Gruppen wurden ausgewählt, weil sie beispielhaft für spezifische Problemlagen stehen und mit verschiedenen Graden von prekären Verhältnissen konfrontiert sind. Verschiedene Aussagen und Empfehlungen sind aber auch auf andere Gruppen von Menschen in prekären Lebenslagen übertragbar.
Für eine nachhaltig verbesserte gesundheitliche Ver¬sorgung von Menschen in prekären Lebensverhältnissen erachtet die LGK ein umfassendes und wirksames Maßnahmenpaket als dringend notwendig. In ihrer Entschließung 2014 verabschiedet sie fünf prioritäre Handlungsfelder und gibt darüber hinaus gezielt Umsetzungsempfehlungen.

Die großen Herausforderungen können aber nur dann erfolgreich bewältigt werden, wenn alle Akteurinnen und Akteure den Rahmen der Verantwortlichkeiten und Möglichkeiten nutzen, Spielräume ausloten und diese ausschöpfen. Langfristiges Ziel muss es sein, die Rahmenbedingungen für eine größtmögliche soziale Teilhabe zu schaffen.

Quellennachweis:

Lampert T, Saß AC, Häfelinger M, Ziese T (2005) Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit. Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin. Robert Koch-Institut.

Lampert T, Krol LE (2010) Armut und Gesundheit Hrsg. Robert Koch- Institut Berlin GBE kompakt 5/2010.
Mielck A (2000) Soziale Ungleichheit und Gesundheit. Empirische Ergebnisse, Erklärungsansätze, Interventionsmöglichkleiten. Bern. Hans Huber.

Tiesmeyer K, Brause M, Lierse M, Nülle ML, Hehlmann T (Hg.) (2008) Der blinde Fleck, Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung. Bern. Hans Huber.

Gesundheitspreis 2015 - Preisträger

Projekt: pro familia: Flüchtlinge im Blick
Projektträger: pro familia Landesverband NRW und Beratungsstelle Bonn
Bei dem Projekt steht die Gesundheit und Versorgung von Frauen und Kindern, die als Flüchtlinge in Deutschland leben, im Mittelpunkt. Durch Schulung und Zusammenarbeit mit ehemaligen Flüchtlingen, die als Ehrenamtliche mitarbeiten, werden unter anderem Beratungen in Asylunterkünften, in Gemeindecafés oder im Rahmen von Deutschkursen angeboten.

Preisträgerflyer mit Detailinformationen

Projekt: Arbeitslosigkeit und Gesundheit - Projekt einer integrierten Gesundheits- und Arbeitsförderung für die Stadt Essen
Projektträger: Gesundheitskonferenz und JobCenter Essen
Die Stadt Essen widmet sich mit dem Projekt den besonderen Bedarfen von Langzeitarbeitslosen. Mit Hilfe eines umfassenden Netzwerks werden sie in Angebote der Gesundheits- und Arbeitsförderung vermittelt, die die individuelle Lebens-, Arbeits- und Gesundheitssituation der einzelnen Betroffenen berücksichtigen. Durch die Verbesserung der körperlichen und psychischen Situation der Teilnehmenden steigen ihre Chancen auf einen Arbeitsplatz.

Preisträgerflyer mit Detailinformationen

Projekt: Praxis für Obdachlose in Düsseldorf
Projektträger: Medizinische Hilfe für Wohnungslose Düsseldorf e.V.
Für die gesundheitliche Versorgung Obdachloser engagiert sich das Projekt bereits seit 1995. Mit dem "Gesundheitsbus" leistet der Verein nicht nur aufsuchende Hilfe, sondern bietet unter anderem auch Krankenzimmer für aus dem Krankenhaus entlassene Obdachlose. Das Projekt vernetzt Medizin, Pflege sowie Sozialarbeit und baut seine Strukturen kontinuierlich aus.

Preisträgerflyer mit Detailinformationen

Projekt: Behindertenorientierte Zahnmedizin
Projektträger: Universität Witten/Herdecke
Das Projekt verbessert die zahnmedizinische Versorgung und Prävention behinderter Menschen unter anderem durch Behandlung direkt vor Ort in Behinderteneinrichtungen. Durch die Einrichtung des einzigen Lehrstuhls für behindertenorientierte Zahnmedizin im deutschsprachigen Raum werden auch Lehre und Forschung auf diesem Gebiet langfristig unterstützt.

Preisträgerflyer mit Detailinformationen

Sonderpreis

Projekt: Brückenschlag - phasenübergreifende Unterstützung für krebserkrankte Eltern und ihre minderjährigen Kinder
Projektträger: Euregionales comprehensive Cancer Center (ECCA) und Caritas Verband Aachen
Durch die vorbildliche Vernetzung von Fachärztinnen und Fachärzten, Therapeutinnen und Therapeuten, Kli-niken, Krankenkassen, Jugendämtern, Selbsthilfe und Sozialdiensten gelingt es dem Projekt, die Betroffenen in ihrer organisatorisch und emotional belastenden Situation zu unterstützen. Insbesondere die frühzeitige, kontinuierliche und langfristige Betreuung der Kinder - auch über den Tod des krebserkrankten Elternteils hinaus - zeichnet das Projekt aus.

Preisträgerflyer mit Detailinformationen

Neu aufgenommene Projekte in die Landesinitiative Gesundes Land Nordrhein-Westfalen 2015

Insgesamt 73 Projekte haben sich um die Aufnahme in die Landesinitiative beworben. 38 von ihnen dürfen fortan das Siegel "Beispielhaftes Projekt Landesinitiative Gesundes Land Nordrhein-Westfalen 2015" tragen.

Preisverleihung

Am 10. Dezember 2015 hat Gesundheitsministerin Barbara Steffens die Preisträgerinnen und Preisträger des Gesundheitspreises 2015 im Landtag Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Der Schwerpunkt der Ausschreibung galt der "Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung von Menschen in prekären Lebenslagen". Die fünf ausgezeichneten Projekte berücksichtigen die besonderen Bedürfnisse bei der gesundheitlichen Versorgung von Menschen in prekären Lebenslagen in vorbildlicher Weise.